Ganztagsschule unter der Lupe - Sportjugend Hessen sieht Verbesserungsbedarf beim „Pakt für den Nachmittag“

Seit dem Schuljahr 2015/16 gibt es das Programm „Pakt für den Nachmittag“ (PfdN)an hessischen Grundschulen. Im Schuljahr 2022/2023 beteiligen sich bereits nahezu 90 % der Schulträger in Hessen mit insgesamt 395 Schulen an der Umsetzung des PfdN. Die beiden wesentlichen Ziele des Pakts sind die Schaffung eines verlässlichen Schul- und Betreuungsangebots für hessische Grundschüler*innen von 07.30 Uhr bis 17.30 Uhr sowie der Aufbau eines schlüssigen Bildungsangebots für den ganzen Tag. Dafür ist es erforderlich, dass das Land Hessen, das für Schule zuständig ist, und die kommunalen Schulträger, in deren Verantwortung die Nachmittagsbetreuung liegt, intensiver zusammenarbeiten und ihre Ressourcen bündeln. Mit der Koalitionsvereinbarung aus dem Jahr 2018 erhalten die Schulen die Möglichkeit, das Ganztagsangebot bis 14.30 Uhr auf ihren Antrag hin als teilgebundenes Modell auszugestalten. Damit können auch Schulen am PfdN teilnehmen, die für die ganze Schule oder einzelne Klassenzüge ein Angebot über den Vormittag hinaus verpflichtend machen.

Was ist der 'Pakt für den Nachmittag'?

Das Hessische Kultusministerium beschreibt den "Pakt für den Nachmittag" als das größte Programm zum Ausbau von Ganztagsangeboten, das es je in Hessen gab. Tatsächlich unterscheidet es sich von den bisherigen Aktivitäten seit Beginn der Ausbauphase der Ganztagsschulentwicklung im Jahre 2002, mit denen bislang rund 1000 Schulen die ersten Schritte zu ganztägigen Schulen gefunden haben. Diese Veränderungen gingen weitgehend vom Land aus und die Schulen organisierten mit eigenen Mitteln und der Unterstützung einer Vielzahl von Kooperationspartnern den Nachmittag.
Der Pakt soll nun die Ressourcen vom Land mit seinem Lehrpersonal und denen der jeweiligen Schulträger verbinden. Der Schulträger ist in der Regel der Kreis und die Stadt.  Er stellt das Schulgebäude, das Mittagessen, das logistische Personal und häufig auch die Nachmittagsbetreuung zur Verfügung.

Und genau diese Nachmittagsbetreuung soll besser koordiniert und gestärkt werden. Dadurch soll ein verlässliches, durchgehendes Betreuungsangebot entstehen. Dafür besteht gerade im Grundschulbereich bei vielen Eltern ein großer Bedarf, besonders in den städtischen Räumen. Die beiden zentralen Zielsetzungen des Programms sind die Verbesserung der Betreuungssituation und des Bildungsangebotes. Kritische Beobachter*innen sehen derzeit den Schwerpunkt auf der Deckung des Betreuungsbedarfs. Die Entwicklung eines erweiterten Bildungskonzepts mit der inhaltlichen und rhythmischen Verknüpfung von Vormittags- und Nachmittagsangeboten steht an vielen Orten noch am Anfang.


 

Dritte Evaluation zur Schulthematik

Die Sportjugend Hessen begleitet die Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung des Paktes mit starkem Interesse. Das betrifft die jugend- wie bildungspolitische Bewertung sowie die stärkere Einbindung der Sportvereine, die mit ihren Angeboten zur Attraktivität und Qualität der Ganztagsangebote innerhalb des Paktes beitragen. In ihrem Selbstverständnis als Jugendverband versteht sie sich dabei als Interessenvertreterin von jungen Menschen in Hessen, insbesondere mit der Zielrichtung, die Bildungsgerechtigkeit zu fördern.

Aus diesem Verständnis und mit der Intension die Auswirkungen des Pakts am Nachmittag auf die Kooperationsarbeit der Grundschulen mit den Sportvereinen in Erfahrung zu bringen, führte die Sportjugend in 2016 eine leitfragenbasierte Telefonbefragung durch, deren Ergebnisse nun vorliegen (Pakt-Evaluation 2017). Das ist nach den Untersuchungen zu „G8 in Hessen“ (2013) und zur „Neuausrichtung des Landesprogramms ‚Schule und Verein‘ (2015) bereits die dritte Sportjugend-Evaluation in kurzer Zeit.
Bei der aktuellen Auswertung zum Pakt wurden weiterreichende Aspekte deutlich, die daraufhin weisen, dass eine Nachsteuerung notwendig ist. Die Nachmittagsbetreuung wird vielfach von der Schule bzw. den Lehrern selbst angeboten. Damit fehlt eine Unterscheidung zwischen dem pädagogischen Vormittag und einem spielerischen Nachmittag.
Zudem fallen für die Eltern Gebühren an, damit ihre Kinder das Nachmittagsangebot wahrnehmen können.  Diese Kosten variieren in ihrer Höhe sowohl innerhalb der Landkreise als auch hessenweit und sind an vielen Orten erst durch die Einführung des Pakts entstanden. Zuvor waren Ganztagsschulangebote häufig kostenfrei. Diese beiden Aspekte könnten Gründe dafür sein, dass, wie in der Evaluation festgestellt wurde, verhältnismäßig wenige Kinder aus bildungsfernen bzw. finanziell schlechter gestellten Familien an den Paktangeboten partizipieren. In den o. g. Punkten bedarf es nach Ansicht der Sportjugend Hessen dringend einer Änderung.

Positionspapier zum Pakt

Ihre Schlussfolgerungen, die die Sportjugend Hessen aus der Evaluation zieht, hat sie in einem Positionspapier zusammengefasst. Darin sind noch weitere relevante Themen enthalten wie  z. B. die Berücksichtigung von Freiraum während und nach der Schule oder auch die Ferienbetreuung.
Darüber hinaus fordert die Sportjugend Hessen, als der mit 800.000 Mitgliedern größte hessische Jugendverband das Land Hessen auf eine zeitnahe, umfassende Evaluation unter Einbezug aller Beteiligten durchzuführen, um tiefergehende Informationen für die notwendige Prozesssteuerung des ambitionierten Programms zur erhalten. Weiter bieten die Sportjugend und der Landessportbund Hessen zur erfolgreichen Fortführung des Pakts ihre Unterstützung an. Das betrifft u. a. die konzeptionelle Beratung sowie die Qualifizierung des Personals der Sportvereine für die neuen Aufgaben.

Bessere Einbindung der Sportvereine als Kooperationspartner

Insbesondere besteht ein Verbesserungsbedarf bei der Einbindung von Sportvereinen und weiteren außerschulischen Partnern, wodurch der Nachmittag wichtige außerschulische Impulse erhalten würde. Zwar geben 65% der Pakt-Schulen Sportvereine als Partner an, die meisten Schulen kooperieren allerdings nur mit einem Verein, der auch nur ein einzelnes Angebot gestaltet. Folglich spielen die Spotvereine im Angebotskanon bislang nur eine untergeordnete Rolle. Es ist nicht klar auszumachen, welche Rolle die Sportvereine im Verständnis und Konzept der Pakt-Schulen einnehmen. Es ist ebenso schwer zu beurteilen, wie gut die Pakt-Schulen für die vielen Aufgaben finanziell aufgestellt sind. In den Evaluationsergebnissen ist auffällig, dass viele Kooperationsangebote nicht ausreichend finanziert werden. Das Landesprogramm „Schule und Verein“ kann und darf nur ein Anschub und kein Ersatz für eine langfristige Lösung der Finanzierung darstellen.
Die Sportjugend Hessen fordert deshalb eine deutlich verbesserte quantitative und qualitative Einbindung von Sportvereinen in die Nachmittagsangebote der Pakt-Schulen sowie eine langfristige, angemessene Finanzierung von Seiten der Schulen.


Kooperationen als wichtiges Prinzip - Sportvereine gefragt

Sportvereine in diesen Regionen sind als Partner der neuen Pakt-Schulen gefragt, um sich mit einem Nachmittagsangebot zu beteiligen. Denn Sport und Bewegung stellen ein wesentliches Element für einen ausgeglichenen Schultag dar, wie zahlreiche Studien zur Ganztagsschulentwicklung belegen. Gleichzeitig sind sie bei den Schüler/innen sehr beliebt. Um den Anteil an Bewegungszeit in der Schule zu erhöhen sind Sportvereine deshalb der häufigste Kooperationspartner, gerade an Grundschulen. Deshalb sind viele Pakt-Schulen interessiert und offen für die Kooperationen. Durch die bessere Ausstattung dieser Schulen ist die Finanzierung insgesamt leichter. Die Sportjugend und die Sportkreise helfen bei Fragen gerne weiter.